Gut zehn Jahre ist es jetzt schon her, dass wir fünf von den «Seven Things» uns
zusammengefunden haben.
Als ich 2012/13 nach 15 Jahren krankheitsbedingter Kunstpause den Mut fasste, mich wieder
in die Musikszene zu stürzen, hatte ich zunächst eine Wiederbelebung meines «Jazz Live
Trios» im Sinn, der Formation, die von 1964 bis 1982 am Schweizer Radio SRF als Haustrio
für die Begleitung der Solisten in der Konzertreihe «Jazz Live» zuständig war. Meine
damaligen Kollegen waren nach meiner langen Pause nicht mehr greifbar. Zudem war es mir
wichtig, mit Spielern der jungen Generation zu arbeiten.
Dass ich auf den Bassisten Patrick Sommer und den Drummer Andi Wettstein traf, war ein
grosser Glücksfall, wie ich heute weiss. Und die 40 Jahre, die uns voneinander trennen,
stellten nie ein Problem dar. Es gab in all den Jahren nie ein böses Wort zwischen uns. Doch
meine früheren Erfahrungen mit unserer Gruppe «Magog» in den 1970er Jahren liessen mich
nicht los. Mit Bläsern zu arbeiten bedeutet natürlich einen grossen Zuwachs an
Möglichkeiten. An Farben, aber auch an Formen. So haben wir sehr bald versucht, neben der
Trioarbeit ein Zweibläser-Quintett zu bauen. Nicht ganz vom Punkt Null aus.
Den Trompeter Dani Schenker und den Altisten Christoph Merki, beide heute Professoren an
der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK, hatte ich schon einmal in einer meiner Gruppen,
in dem Quintett «Magog 2». Für diesen – relativ kurzlebigen – Versuch, an meine Magog-
Erfahrungen anzuknüpfen, hatte ich diese beiden Bläser angesprochen. Christoph kenne ich
allerdings schon viel länger. Als Schüler am Klostergymnasium Einsiedeln hatte er bei seinen
Patres erreicht, dass zur Feier ihrer Matur «Magog» bei ihnen im Kloster ein Konzert geben
konnte. Christoph war dort die treibende Kraft in Sachen Jazz, spielte natürlich längst
Altsaxofon, und hat in der Folge neben seinem Geschichtsstudium in Zürich an der Jazzschule
Luzern sich zum Profi an seinem Instrument ausbilden lassen.
Im Trio eine Sprache zu finden, die soweit als möglich nicht bekannte Muster nachahmt,
sondern bis zu einem gewissen Grad Eigenständigkeit besitzt, ist schon schwierig genug, und
vielleicht nur nach langen Jahren des Spielens überhaupt erst möglich. In einem Zweibläser-
Quintett bekannte Muster aus dem Spiel zu lassen, scheint mir noch wesentlich schwieriger
zu sein. Die Hardbop-Tradition zu überwinden, die trotz Freejazz-Einbrüchen in den
vergangenen Jahrzehnten nach meinen Beobachtungen noch immer virulent ist, bleibt für
jedes Quintett eine Herausforderung, die in den meisten Fällen nur graduell erreicht wird. Und
immer bleibt das späte Quintett von Miles Davis mit Wayne Shorter die Spitze der
Leistungspyramide, das Mass aller Dinge. Wohl nur mit einer völlig anderen musikalischen
Sprache könnte eine ähnliche Höhe der musikalischen Aussage zu erreichen sein.
Uns bleibt die schwierige Aufgabe, zwischen den Polen des Populären, einer Musik mit
einprägsamer Melodik, die den Hörer erfreut, und dem Gegenpol, die Zielgruppe der Musik,
das Publikum, nicht in den Kompositionsprozess einzubeziehen, im «Elfenbeinturm»
abgeschlossen für sich seine Musik zu entwickeln, einen eigenen Weg zu finden.
Diese Fragen zur Stilistik haben mich früher stark beschäftigt. Mein Ziel war immer, soweit
als möglich «modern» zu sein, an die Spitze der Entwicklung aufzuschliessen. Aber doch
nicht um jeden Preis. Den Zusammenhang mit der Jazzgeschichte abrupt aufzugeben, wie es
in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts versucht wurde, das kam für mich nicht
in Frage. Sich neuen Möglichkeiten im Jazz evolutionär zu nähern war mein Weg.
Führt die Erkenntnis der vielen Schwierigkeiten beim Schreiben den Musiker zu etwas Demut
und Bescheidenheit, so ist das nur zu begrüssen. Entmutigen darf es und wird es den jungen
Adepten des Jazz wohl nur selten. In jeder neuen Generation drängen die von den Künsten
Berührten danach, ihre Kreativität auszuleben, sich in ihrer Kunst auszusprechen mit dem
Ziel, immer noch etwas besser zu werden, die Messlatte noch höher zu legen. Verzweiflung
und Lust liegen da dicht beieinander.
Heute, in fortgeschrittenem Alter, ist für mich eine verbindliche Stilistik in meiner/unserer
Musik überraschenderweise kein Thema mehr. Neuzeitlich – altmodisch: das sind keine
Bezugspunkte mehr für mich. Gegenwärtige Trends nehme ich gern zur Kenntnis, aber sie
verändern meine ästhetischen Einstellungen nicht mehr. Die Musik, die ich heute schreibe und
spiele, muss soweit als möglich aus mir selber kommen, aus den Erfahrungen einer ganzen
Reihe von Jahrzehnten, die ich mit der Musik, die man Jazz nennt, verbracht habe. Sie rechnet
dabei zwar nicht bewusst, aber im Hintergrund wohl doch mit einem imaginären Publikum.
«Erlaubt ist was gefällt» lässt Goethe seinen Tasso, die Verkörperung des Künstlerischen mit
all seiner Problematik, im gleichnamigen Drama sagen. Sein Gegenüber, die Prinzessin,
Vertreterin des Establishments, korrigiert ihn mit den Worten «Erlaubt ist was sich ziemt». Da
stehe ich wohl heute eher an der Seite Tassos, wenn ich seine Maxime erweitere zu dem Satz:
«Erlaubt ist, was mir gefällt».
Klaus Koenig.
1ES SUNGEN DREI ENGEL06:44
Musik: Traditional/Klaus KoenigISRC: CH109-38-30201
2PERCHE NO06:28
Musik: Klaus KoenigISRC: CH109-38-30202
3FALADO05:56
Musik: Klaus KoenigISRC: CH109-38-30203
4AS I CAN05:53
Musik: Klaus KoenigISRC: CH109-38-30204
5C. P. THREE06:06
Musik: Klaus KoenigISRC: CH109-38-30205
6WOHIN GEHEN WIR04:55
Musik: Klaus KoenigISRC: CH109-38-30206
7BILLY BUDD07:34
Musik: Klaus KoenigISRC: CH109-38-30207
8AN HOMAGE TO CELIA06:46
Musik: Klaus KoenigISRC: CH109-38-30208
9NERISSA’S RING08:03
Musik: Klaus KoenigISRC: CH109-38-30209
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